In Schweden und Finnland sollte im Gottesdienst ab 1537 die Landessprache verwendet werden. Daher mussten Texte ins Finnische übersetzt werden. Es hatte bereits vor der Reformation einige liturgische Texte auf Finnisch gegeben (wie das Ave-Maria oder das Vaterunser), aber die ersten erhaltenen finnischen Texte stammen aus der Zeit der Reformation.
Der größte der erhaltenen Kodizes ist nach Mathias West benannt, dem Kaplan und Schulmeister der Stadt Rauma, der die beinhalteten Texte aus älteren Quellen kopierte. Offenbar der älteste der finnischen Kodizes ist das Fragment aus dem Evangeliar von Uppsala, geschaffen und vorgesehen für den Gebrauch in Schweden. Dies erscheint vielleicht ein wenig merkwürdig, aber es gibt eine ganz natürliche Erklärung dafür, da sich in Schweden eine große Anzahl Finnisch sprechender Einwohner befand. Tatsächlich war die erste Gemeinde, die einen finnischen Priester ins Amt berief, die finnischsprachige Gemeinde in Stockholm. Neben diesen beiden Kodizes existieren verhältnismäßig viele andere erhaltene Manuskripte.
Die ältesten gedruckten Bücher auf Finnisch sind die Werke von Mikael Agricola. Agricola hatte einige Mitarbeiter bei seinen Übersetzungsprojekten, also arbeitete er nicht ganz alleine. Trotzdem war Agricola ein relativ produktiver Übersetzer und Autor. Als erstes veröffentlichte er sein Abckiria, ein kurzes ABC-Buch und ein Katechismus, vermutlich im Jahr 1543. Das Buch war von Luthers, Melanchthons und Andreas Osianders Katechismen inspiriert und enthielt übersetzte Ausschnitte aus diesen Werken. Das Ave-Maria-Gebet war ebenfalls ein Teil des Buches und zeigt somit, dass der Wechsel von der katholischen zur protestantischen Theologie nicht immer sehr schlagartig vonstattenging und viele katholische Bräuche nach der Reformation noch recht lange Zeit in Finnland fortlebten.
Danach veröffentlichte Agricola im Jahr 1544 sein Rucouskiria, ein sehr großes und umfangreiches Gebetbuch. Agricolas Meisterwerk, Se Wsi Testamentti, die finnische Übersetzung des Neuen Testaments, wurde im Jahr
1548 veröffentlicht, nach vielen Problemen in der Finanzierung des teuren Drucks. Danach veröffentlichte Agricola drei liturgische Bücher und Übersetzungen des Buches der Psalmen und einiger prophetischer Bücher des Alten Testaments.
Mikael Agricola und seine Zeitgenossen erschufen die finnische Schriftsprache, was eine sehr anspruchsvolle, aber wichtige Aufgabe für die Zukunft Finnlands war. Da die Sprache in der Messe verwendet und niedergeschrieben wurde, beeinflusste dies bestimmt die Identität des finnischen Volks. Der Sprache wurde eine Position verliehen, die bisher nur Latein und Schwedisch innehatten. Die Sprache und das gemeine Volk bekamen für sich selbst große Bedeutung. Teile der Bibel und theologische Werke ins Finnische zu übersetzen bedeutete, dass völlig neue Ideen und Konzepte in die Sprache eingeführt wurden. Dies wiederum ermöglichte die Geburt einer theologischen, juristischen, philosophischen und in gewissem Ausmaß politischen Debatte in finnischer Sprache.
Indem die Schriftsprache geschaffen wurde, wurde auch die Vereinigung der verschiedenen finnischen Dialekte zu einer standardisierten Sprache möglich. Dies war vielleicht eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung einer gemeinsamen nationalen Identität.
Biblia
Das finnische Neue Testament wurde im Jahr 1548 von Mikael Agricola veröffentlicht, aber danach dauerte es immer noch beinahe hundert Jahre, bis die gesamte Bibel auf Finnisch publiziert wurde. Die „Biblia“, oder die „gesamte Heilige Bibel auf Finnisch“ wurde im Jahr 1642 veröffentlicht. Es wurde ein Dankgottesdienst in Finnland organisiert, um diesem historischen Ereignis zu gedenken. Die Bibel wurde der schwedischen Königin Christina gewidmet, die, irgendwie ironisch, nur zwölf Jahre später zum Katholizismus konvertierte. Die Biblia war ein sehr wichtiger Schritt für die finnische Schriftsprache: Sie schuf eine Sprache für Finnland, die eine einheitliche Standardsprache genannt werden kann.
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