Das Jahr des 500. Jahrestages der Reformation ist auch das Jahr des 100. Jahrestages der Unabhängigkeit Finnlands. Aber wie sehr hat die Reformation die finnische Kultur und Gesellschaft geformt?

Die Reformation führte zur finnischen Schriftsprache und spielte somit eine bedeutende Rolle in der Gestaltung Finnlands. Als sich die gedruckten Werke von Mikael Agricola in zahlreichen Kopien überall im Land verteilten, bildeten Sie eine Basis für eine schriftliche Standardsprache.

Eine gemeinsame Schriftsprache ermöglichte eine gemeinsame Identität zwischen verschiedenen finnischen Regionen. Das Schreiben erweiterte außerdem die Möglichkeiten der Sprache, indem ein neuer Wortschatz und neue Konzepte erschaffen wurden. Zuerst war es möglich, über Gott und Theologie auf Finnisch zu sprechen und zu schreiben, später über Wissenschaft, Philosophie, Ideologien und Politik.

 

Das Luthertum wurde auch als ein wesentliches Kennzeichen dafür betrachtet, ein Finne zu sein. Während der Zeit der lutherischen Orthodoxie im 17. Jahrhundert entwickelte sich das Luthertum zur einzigen erlaubten Religion. Es gab praktisch im gesamten Königreich keine anderen Religionen mehr.

Als Finnland im Jahr 1809 nach dem Finnischen Krieg (Teil der napoleonischen Kriege) vom Russischen Reich

Alexander I., Kaiser von Russland, leitet den Reichstag von Porvoo im Jahr 1809, wo der Kaiser Finnland das Recht gewährte, sich zum lutherischen Glauben zu bekennen. Gemälde von Emanuel Thelning. Wikimedia Commons.

annektiert wurde, fürchtete das finnische Volk eine Zwangskonvertierung zur Orthodoxie. Kaiser Alexander I. gewährte Finnland jedoch das Recht, sich zum lutherischen Glauben zu bekennen. Später, im Erwachen des Nationalismus, wurde der lutherische Glaube, gemeinsam mit der finnischen Sprache dazu verwendet zu definieren, wie Finnland sich vom Rest des Russischen Reichs unterschied.

Finnland wurde im Jahr 1917 unabhängig und im Jahr 1923 wurde ein Gesetz über Religionsfreiheit erlassen und somit war es möglich, aus der Kirche auszutreten. Der Mehrheit der Bevölkerung blieb jedoch lutherisch. Im Jahr 2016 waren immer noch 71,9 Prozent der Bevölkerung Mitglieder der Kirche, selbst wenn heutzutage viele nicht sehr religiös sind. Dennoch ist das Luthertum weiterhin ein tiefer Unterstrom in der finnischen Gesellschaft, selbst unter nichtreligiösen Menschen.

Im Jahr 2017, wo wir das doppelte Jubiläum der Reformation und der finnischen Unabhängigkeit feiern, kann Finnland stolz auf seine lutherischen Wurzeln sein. Finnland ist ein Wohlfahrtsstaat, wo der öffentliche Dienst medizinische Behandlung und soziale Sicherheit für jeden gewährleistet. Zudem ist das finnische Bildungssystem heute als eines der besten in der ganzen Welt bekannt. Dies sind indirekte Folgen der Reformation: Das Luthertum betonte die gemeinsame Verantwortung, sich um die Bedürftigen zu kümmern, und der katechumenale Unterricht bildete eine Basis für das Bildungssystem in Finnland.

 

Heute ist Finnland ein Teil der Europäischen Union und der globalisierten Welt und wir stehen globalen Problemen gegenüber, die wir nicht alleine bekämpfen können. Daher haben wir als das offizielle Thema für das Jubiläum der finnischen Unabhängigkeit gewählt: „Yhdessä“, „Gemeinsam“. Denn es muss gemeinsam geschehen, oder gar nicht, wenn wir die akuten Probleme unseres gemeinsamen Planeten und unserer gemeinsamen Menschlichkeit lösen sollen. Und gemeinsam mit dem Rest der Welt müssen wir eine bessere Zukunft für unsere Kinder bauen.

 

Ein feste Burg ist unser Gott

Die Hymne „Ein feste Burg ist unser Gott“ verdeutlicht sehr gut, wie der lutherische

Die Verkündigung des Weihnachtsfriedens in Turku im Jahr 2009, wo jedes Jahr die Hymne „Ein feste Burg ist unser Gott“ gesungen wird. Von Palosirkka, Original von LPfi. Wikimedia Commons. CC BY-SA 3.0.

Glaube und die finnische Identität in Finnland vermischt worden sind. Die Hymne ist auch anderswo in der evangelischen Welt wohlbekannt, aber in Finnland hat sie den Status einer „Nationalhymne“ erreicht. Sie wurde in den schicksalhaften Stunden der Nation gesungen, wie im Jahr 1939, als die finnische Delegation nach Moskau aufbrach, um mit der Sowjetunion Friedensverhandlungen zu führen. Die Hymne wird immer noch jedes Weihnachten während der Verkündigung des Weihnachtsfriedens gesungen, gemeinsam mit der finnischen Nationalhymne.